Im Allwetterzoo ist man stolz auf seltenen Nachwuchs: Erstmals schlüpften hier am 11. Juli zwei Küken bei den Mandschurenkranichen. Diese imposanten Vögel zählen zu den am stärksten bedrohten Kranichen der Welt. Nur etwa handgroß beim Schlupf, entwickeln sich die Küken recht schnell und erreichen ausgewachsen eine Größe von rund 150 cm.
Geschlüpft sind die kleinen Kraniche auf einer Anlage neben dem Tropenhaus. Hier hatten die Eltern an einer recht versteckten Stelle ein Bodennest angelegt. Als Tierpfleger Ralf Nacke am letzten Sonntag nach den Vögeln schaute, wurde er vom Zuwachs regelrecht überrascht. Zum einen war die übliche Brutzeit von 32 Tagen bereits um sieben Tage überschritten. Außerdem hatte niemand dem erst drei Jahre alten Kranichmann bereits einen Zuchterfolg zugetraut. Ungewöhnlich ist auch, dass beide Küken an einem Tag schlüpften, normalerweise liegt ein Abstand von ein bis zwei Tagen zwischen dem Schlupf des ersten und zweiten Jungen.
Als Nestflüchter waren die Küken schon am Tag des Schlupfes auf ihren riesig wirkenden Füßen unterwegs. Die Elternvögel kümmern sich rührend um ihren goldgelb-bräunlich gefiederten Nachwuchs und zeigen ihnen mit ihren langen Schnäbeln, was fressbar ist, Insekten oder Regenwürmer beispielsweise. Unterstützt werden die Alten bei der richtigen Ernährung ihrer Jungen durch die Tierpfleger. Sie stellen Tabletts mit zerkleinerter und abwechslungsreicher Nahrung in die Anlage. So gibt es neben Körnern und speziellen Getreideflocken auch Obst, Gemüse und tierische Kost, etwa kleine Fische.
Die Küken, die beim Schlupf schätzungsweise 200 Gramm wogen, verdoppeln ihr Geburtsgewicht binnen einer Woche! Immerhin wiegen diese Kraniche ausgewachsen rund zehn Kilogramm. Im Alter von etwa 95 Tagen werden die Küken flügge. Bis dahin haben sie ihre kuschelig-weichen Dunen gegen „richtige“ Federn getauscht. Erst im Alter von etwa zwei Jahren zeigen sie das für diese Art typische weiß-graue Federkleid mit dem roten „Krönchen“.
In europäischen Zoos leben rund 300 Mandschurenkraniche, deren Zucht über das EEP (Europäisches Erhaltungszucht-Programm) koordiniert wird. Das Kranichweibchen im Allwetterzoo schlüpfte 1986 im Rotterdamer Zoo. Es lebt seit 1991 in Münster. Ihr junger Partner stammt aus der Zucht des Tiergartens Schönbrunn in Wien. Im Mai 2007 dort geschlüpft, zog er ein Jahr später nach Münster um. Anfangs hatte er starke Konkurrenz durch einen in der benachbarten Anlage lebenden Jungfernkranich. Nachdem der in einen anderen Zoo umzog, klappte es prompt mit dem Nachwuchs!
In Japan gelten Mandschurenkraniche als Glücksbringer und Sinnbild für ein langes Leben. Sie sind jedoch stark von der Ausrottung bedroht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galten sie bereits als fast ausgerottet. Das Anlegen von Schutzgebieten, ein Jagdverbot und das winterliche Zufüttern haben die Bestände wieder wachsen lassen. Doch die Zerstörung ihres Lebensraumes konnte bis heute nicht gestoppt werden. Auf der japanischen Insel Hokkaido leben Mandschurenkraniche ganzjährig, während sie im nördlichen Asien wie alle Kraniche von ihren Brutplätzen in mildere Überwinterungsgebiete wechseln. Insgesamt wird ihr Bestand im Freiland auf 1.700 bis 2.000 Vögel geschätzt.